Krakau hieß das Ziel unserer privaten Reisegruppe, die in den vergangenen Jahren bereits Riga, St. Petersburg, Istanbul, Athen und Prag jeweils um Fronleichnam des Jahres besucht hatte. Ein paar Tage Sightseeing um Stadt, Land und Leute kennenzulernen. Und die kulinarischen Genüsse. So wurden alle Reisen zu unvergessenen, launigen Unternehmungen. Eine „multinational“ zusammengewürfelte Truppe sind wir, mit lieben Freunden aus Lettland, Türkei, Griechenland, Polen, Russland, Moldawien, Armenien und Iran sowie – last but not least – Deutschland.
Mit dem Zugewinn eines neuen Mitgliedes mit polnischem Hintergrund kam auch gleich der Vorschlag zu einer Städtetour nach Krakau. Joh, dachte ich so, war ich noch nicht, soll schön sein. Dann haben Aiga und Anna mal das vielfältige Programm für fünf Tage vor Ort erarbeitet. Und für Tag drei stand dann da: Auschwitz.
Liest sich vielleicht seltsam, aber ich habe mich sehr darüber gefreut die Gelegenheit zu bekommen, die KZ Gedenkstätten Auschwitz und Auschwitz Birkenau zu besuchen. Auschwitz, der Name steht als Synonym für den Holocaust wie kaum eine anderer. Zugegeben, für eine launige Tour mit Freunden gibt es schönere Orte. Und mein Respekt vor dem Trip an den Ort unfassbar monströser Vernichtung menschlichen Lebens war groß. Nicht zuletzt auch gespeist durch einen vorherigen Besuch in Buchenwald, den ich vor ein paar Jahren mit ein paar Motorradkumpels unternommen hatte. Und doch war meine Vorfreude groß. Ich glaubte, mit dem Besuch einen engeren Bezug zur Geschichte zu erhalten. Den Dingen, die sich dort vor fast 80 Jahren abgespielt haben, irgendwie näher zu kommen. Sie zu „begreifen“.
Dann kam Tag drei unserer Reise. Wir hatten zuvor in Krakau selber bereits einiges gesehen, wie beispielsweise das Altstadtzentrum mit seinem Marktplatz Rynek Glówny mit seinen ehemaligen Tuchhallen sowie die Marienkirche. Zudem das jüdische Viertel (in dem auch Schindlers Liste gedreht wurde) und den Stadtteil des ehemaligen Gettos, ganz in der Nähe der Fabrik von Oskar Schindler.
Und nun standen wir vor dem berühmten Eingang des KZs, mit seinem Banner „Arbeit macht frei“. Und während die junge Museumsführerin in arg zügigem Tempo durch die Räume, engen Keller und dem weitläufigen Gelände zog, mit vielen Erklärungen zu Geschichte und den Verlauf dessen, was sich just an diesen Orten ab ca. 1940 vollzogen hatte, versuchte ich einen inneren Bezug dazu herzustellen. Als derjenige in unserer Gruppe, der Fotos zur Dokumentation unserer Reise machen sollte, hing ich immer etwas hinterher und versuchte mich in Muße, den Ort für mich zu verinnerlichen. Reichlich Fotos habe ich gemacht, wobei ich mich im Inneren der Gebäude maximal zurück gehalten habe. Die Ausstellungsstücke von Massen an Schuhen, Haaren (!), Brillen, Töpfe und weiterer Überreste wollte ich nicht digital festhalten. Einiges war ohnehin nicht erlaubt.
Der Trip durch die Gebäude und dem Gelände war schon ziemlich zügig gestaltet. So blieb kaum Zeit, an der Zelle von Maximilian Kolbe in Block 11 „ausreichend“ inne zu halten. Oder vor der Erschießungswand, gleich außerhalb des Gebäudes im Innenhof. Auch hier hätte ich mir mehr Zeit gewünscht. Aber wir waren auch nicht allein. Der Besucherstrom in der Gedenkstätte war schon enorm. Man spricht von ca. 1,5 Millionen Menschen pro Jahr, die hierher kommen. Solche Massen wollen gelenkt werden.
Von Auschwitz ging es mit dem Bus nach Birkenau. Auch hier gibt es Bilder die man kennt. Das Einfahrtsgebäude, die Bahnlinien und die Rampe, wo Hunderttausende angekommen, selektiert und zumeist umgehend in die Gaskammern wenige hundert Meter entfernt geleitet wurden.
Birkenau ist unglaublich weitläufig. Ich konnte die Gelegenheit wahrnehmen, oben aus dem Torhaus heraus Fotos zu machen. Von dort sieht man den Wald von Kaminen, den einzigen Überresten der unzähligen Holzbaracken, die es seinerzeit gab. Unglaublich.
Was bleibt? Nun, für mich bleibt es vor allem „unfassbar“. Im Nachhinein hätte ich mir gewünscht, wir hätten mehr Zeit gehabt, die Orte auf uns wirken lassen zu können. Immer wieder hatte ich versucht mir zu vergegenwärtigen, dass das tatsächlich der Weg ist, den so viele in ihre eigene Vernichtung gegangen sind. Unfassbar für mich auch nachzuvollziehen, was diese „Menschen im operativen Geschäft“ im Kopf gehabt haben müssen. Das kann doch keinen halbwegs normal denkenden und moralisch sozialisierten Humanoiden unberührt lassen? Da muss es doch „Zweifel“ geben?
Es ist denkbar, dass ich vielleicht irgendwann noch einmal diesen Ort des Genozids besuche. Dann mit mehr Zeit. Und Muße. Insofern hat mich der Aufenthalt trotz aller Kürze beeindruckt.
Einen Besuch empfehle ich im Übrigen auch den Politikerinnen, Politikern und Volksgenoss(inn)en, die heutzutage mit ähnlichen Parolen und Gebaren in unserer Gesellschaft zündeln wie Teile unsere Vorfahren, um auszugrenzen, zu spalten und zu diffamieren. Vielleicht hilft´s ja und es gibt einen Erkenntnisgewinn, der zu einem Umdenken und einer Verhaltensänderung führt. Joh, ich weiß, watt naiv gedacht…
(Weitere Infos zur Gedenkstätte gibt es hier: https://auschwitzundich.ard.de und hier: http://auschwitz.org/ (pdf))