Das Virus ist eine Scheibe

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Seit einem Jahr nun quälen wir uns herum mit dem Coronavirus. Wobei, eigentlich quäle ich mich mehr herum mit dieser unglaublichen Kakophonie drum herum, als mit dem Scheiß Virus.

Zugegeben, ich bin in einer sehr komfortablen, nein, privilegierten Situation. Ich habe einen vermeintlich sicheren Job in einer kommunalen Verwaltung. Sofern ich keine goldenen Löffel klaue, sollte einer Fortsetzung meiner beruflichen Laufbahn dort nichts im Wege stehen. Wobei, solche Löffel habe ich da aber auch noch nicht entdeckt, insofern ist die Versuchung recht überschaubar.

Ich habe keine eigenen oder mir fremden Kinder und muss mich um Aufenthaltsbestimmung, Betreuung, Hege und Pflege sowie Unterricht derselben kümmern. Ich muss mich nur um mich selber kümmern. Und natürlich um Pauli sein Frau und Pauli seine Resteltern, die jenseits der 80´er Lebensjahre die überaus angespannte und für deren Lenze besonders sensible Situation überleben müssen.

Selbstredend, dass mir der persönliche soziale Kontakt zu Freunden und weniger Freunden fehlt. Oder die Möglichkeiten von externer Nahrungsaufnahme gegen Honorar. Oder Kultur im Live-Format. Reisen wäre auch wieder toll. Gott Gütiger, was war das für ein 2019, als wir ein Reisejahr absolviert haben, wie niemals zuvor, mit Mosel, Georgien, Bremen, Kenia und Portugal. Weit hinter jenseits von gut und gewissentlich akzeptablen klimatösen Fußabdrücken.

Zwischen Home und Office gab und gibt es seither nur noch watt Wurmtal, selten Hohes Venn und Würselen Downtown. Ach ja, Garten gibbet auch noch. Auch schön.

Mein innerer intellektueller und moralischer Kompass befiehlt mir, noch etwas die Arschbacken zusammen zu kneifen und humanoiden Zusammenkünften auch weiterhin so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Drei, vier Monate wird es wohl noch brauchen, bis sich die Lage etwas entspannt und ich – wie bereits meine in der Kita tätige Gemahlin – geimpft bin.

Fällt mir alles nicht schwer. Irgendwie jeht datt.

Und wahrlich möchte ich nicht tauschen mit all jenen und jeninnen, die das Coronavirus erwischt hat. Oder die ihre Brut zu versorgen und zu bilden haben. Nicht zu denken an diejenigen, die um ihre berufliche Existenz kämpfen und denen es an tragfähiger, berechenbarer Zukunft fehlt. Furchtbar.

Nein. Ich fühle mich privilegiert und dankbar. Und demütig.

Was mir aber weit mehr zu schaffen macht als all diese von der Pandemie verursachten Szenarien, ist die unsägliche Kommentiererei und brüllende Besserwisserei von so vielen. Vor allem in sozialen Netzwerken. Ich meine, ich fremdle ja ohnehin mit den ständigen Kalendersprüchen die da unaufhörlich aufdringlich ihren Weg durch das Netz machen. Aber die beschränkt geistreichen Kommentare über Politik, Versagen, den richtigen Weg, Impfstrategien, Expertisen über Wirksamkeit von Impfstoffen, mutmaßlich falsche oder richtige Zahlen und Statistiken sowie die einhergehenden Beleidigungen und Nötigungen gehen mir aber sowatt von auf den Sack!

Es gibt nix, aber auch rein gar nix was nicht einfach mal unkommentiert im Raum stehen kann. Irgendjemand kommt immer um die Ecke und meint noch einen Kommentar raushauen zu müssen. Selbst simpelste Informationen die rein der Information dienen werden mit querformulierten Nachfragen, höhnischen Smileys, Beschimpfungen oder eigenen „kreativen Vorstellungen“ wie die Welt wie sie mir gefällt begleitet.

Die Anzahl der Hobbyvirolog_innen ist sprunghaft gestiegen. Mir kommt vor, vor der Pandemie hat es keine Sau interessiert, welche Nebenwirkungen die tägliche Pille auf Hirn und Darm entfaltet. Apothekenumschau und Ratiopharm lassen grüßen. Oder die breite Masse der Gesellschaft nimmt nachweislich billigend in Kauf, dass arme Viecher mit Chemie zu Billigfleisch hoch gejazzt wird mit der Folge, dass der hohe Anteil von Antibiotika in der Massentierhaltung das Risiko resistenter Bakterien erhöht (nur mal hier hingeklickt).

Oder diese unendliche Schubberei auf Politik. Ich kann es nicht mehr hören! Egal was Politik entscheidet, es ist ja grundsätzlich falsch! Und, joh, sind ja alles Idioten. „Das ständige hin und her“ – gibbet, ja. Aber ist sicher auch getrieben vom permanenten medialen Druck, gekoppelt mit einer Prise Hysterie.

Nicht falsch verstehen: nicht alles was die gewählten Volksvertreter_innen entschieden haben oder entscheiden trifft meine Zustimmung. Aber nur mal so grundsätzlich: Ich habe größte Hochachtung vor allen, die sich politisch engagieren und Verantwortung übernehmen!

Es ist in der aktuellen Situation schlicht nicht möglich, die eine, richtige Entscheidung zu treffen, die für alle die Erlösung darstellt. Entweder Lockdown (wegen mir dann auch gerne auch gleich richtig), oder partielle Öffnung mit Testerei auf der Bounty was das Zeug hält. Was allerdings Eigenverantwortung mit der Betonung auf Eigen und Verantwortung voraussetzt. Die Wahl des richtigen Weges liegt mithin zwischen Pest und Corona, mit wenig diskutablen Alternativen.

Und ja, Feler sind da vorprogrammiert, weil es keine Blaupause für ein Szenario wie der Corona Pandemie gab und auch nach einem Jahr noch nicht gibt. Weltweit.

Auch ich wünsche mir an der einen und anderen Stelle mehr Pragmatismus im Umgang mit Entscheidungen. Und ja, über einzelne Entscheidungen wie Schul- und Kita-Öffnungen, oder Impfbesorgung und Impfstrategien kann man trefflich streiten. Wobei, wenn nix da ist, kannst nix verimpfen!? Und eine jahrelange Studie von neuen Impfstoffen setzt jahrelange Studien voraus, die man rückwirkend ja wohl nicht haben kann, weil es ja neue Impfstoffe sind. Dann lieber nicht impfen, ist das die Alternative? Was zweifelsfrei besser kann – nein, besser muss: die Abwicklung der finanziellen Unterstützung und Auszahlungsmodalitäten für Betriebe, Gastronomie oder Kultur. Ja, das muss besser!

Wobei auch hier insgesamt und mit Blick auf andere Länder es bislang noch nicht zu solchen extremen Verwerfungen gekommen ist, wie in anderen Ländern (wieviele Millionnen Arbeitslose hatte es in den USA?). Und Gott möge verhüten, dass der große Hammer diesbezüglich hier noch kommt. Ist für viele große und kleine Unternehmen bis hierhin schon schlimm genug und Existenzen sind schon zugrunde gerichtet.

Aber was mich nervt ist, dass sich im Netz so viele so laut so meinungsstark äußern müssen, die selbst zumeist keine Verantwortung tragen. Nicht wenige Kommentare lassen darauf schließen, dass bereits die Eigenverantwortung eine persönliche Überforderung darstellt.

Der Ergussduktus ist oft sowatt von anmaßend und erweckt den Eindruck, das die zumeist auch noch unbekannten Kommentatörchen alles besser wissen. Immer schon. Der Pfad eines kritischen aber gemäßigten Meinungsaustausches wird dabei gerne mal schön schnell verlassen. Unterstellungen, Mutmaßungen, Lügen und Falschinformationen brechen sich regelmäßig Bahn. Die Schuldigen sind schnell ausgemacht. Die anderen halt. Vor allem die politische Elite, die uns unterjocht und unser Leben in vermeintlich diktatorischer Weise mit einer ausgedehnten und völlig unnötigen Freiheitsberaubung aussetzt. Das eigentlich schuldige Element bei der Sache, das in Teilen zerstörerische und tödliche Coronavirus, kann anscheinend nix dafür…

Da wird eine Erwartungshaltung eingenommen, die die Politik nie und nimmer erfüllen kann. Eigenverantwortung? Fehlanzeige! Lieber Schuldige suchen. Och ne, hammer ja: die Politiker! Die sollen mir sagen, was ich tun soll. Aber richtig bitte. Und ohne, dass ich Einschränkungen erleben muss. Soweit kommt´s ja wohl noch. Denn bevormunden lasse ich mich von denen schon mal gar nicht!

Nicht viel anders ergeht es im Übrigen denjenigen, die in Verwaltungen arbeiten. Schreibe ich jetzt nicht, weil ich selber dort tätig bin. Aber es ist für einige Zeitgenössinnen und -nossen schon immer schön schnell einfach, mal watt Behördenbashing zu betreiben. Geht – besonders in asozialen Medien – gaaaaanz leicht von der Hand. Da sind sich nicht wenige ganz sicher nicht zu dämlich, ihrer geistige Beschränktheit in bunten Farben und beschränkter lyrischer Qualität der Weltöffentlichkeit zu präsentieren.

Dass da reale Menschen (im Übrigen auch für den letzten Dämlack) engagiert arbeiten, sich tagtäglich den Arsch aufreißen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Zuständigkeiten ihr Bestes geben, wird schlicht ignoriert. Wenn man mal zur Kenntnis nehmen würde, wieviele Leute in Krisenzentren sitzen und immer wieder tagesaktuell geeignete Strategien zu entwickeln haben, oder wieviele Menschen im Backoffice mal eben Ideen zur Umsetzung erzeugen um beispielsweise (mobile) Test- und Impfzentren aus dem Boden zu stampfen, oder in fast allen Verwaltungsbereichen von der praktischen Umsetzung dynamischer Erlasslagen, der Ausschöpfung plötzlicher Förderkulissen bis hin zur bürgerfreundlichen Öffentlichkeitsarbeit (trotz ständiger Beschimpfungen) abarbeiten, wäre das schön.

Wie geschrieben: auch da arbeiten Menschen! Keine Idioten.

Ich weiß nicht, wie oft ich in den letzten Wochen davor war, aus Grell die Kiste einfach aus zu lassen, oder mich aus (a)sozialen Medien ganz abzumelden. Oder zumindest ein Sabbatjahr einzulegen in der Hoffnung, dass sich die geimpfte Netzgemeinde danach wohl wieder beruhigt haben möge. Was ich mir bei letzterem aber eigentlich vorstelle, weiß ich auch nicht…

Und im Prinzip lese ich diese Scheiße auch gar nicht mehr. Und doch bleibe ich bei manchen „Beiträgen“ unwillig hängen und frage mich, was da in den queren Hirnen einzelner vorgeht. Mitunter ertappe ich mich in völliger Fassungslosigkeit. Ich weiß nicht, was da in der Welt los ist mit vielen Menschen. Oder ob es auch an den Medien insgesamt liegt, die die Leute all jeck machen mit ihrer hysterischen Aufarbeitung der Weltgeschichte? Ich weiß ett nitt.

Was mich noch drin hält? Niemand bremst mich, wenn ich mich schön schlicht und geräuschlos vom digitalen Acker mache. Wer würde mich und meine kleine Welt vermissen?

Nunja, es sind am Ende ja auch nicht alle so quer drauf. Manches im Netz ist schon auch informativ, mitunter auch herrlich witzig. Und ganz ehrlich: will ich das Feld wirklich denen überlassen, die da ihr verqueres Weltbild propagieren?

Nä, will ich auch nicht! Jedenfalls noch nicht.

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